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Yasemin Schreiber Pekin

Bruno Brenndt

Roman
Skepsis Verlag, Zürich 2013
Deutsch, 352 Seiten, Softcover, 12 x 19 cm, xxx g
Illustriert von der Autorin
Preis Europa: 6,20 EURO
Preis Schweiz: 6,70 CHF
ISBN 978-3-9521140-8-7

Bruno Brenndt ist ein Roman wie eine Schatztruhe: gefüllt mit Geschichten, Märchen, Abenteuern, Liebeskummer, philosophischen Exkursen, schrägem Humor und sprudelnder Fantasie.

Bruno erzählt Geschichten. Was aber sind Geschichten und was Geschichte?

Bruno Brenndt denkt sich gern Geschichten aus, am liebsten mehrere gleichzeitig. Er vermischt auch gerne Sinneswahrnehmungen. Er riecht, schmeckt und sieht Zahlen und Buchstaben in aller Buntheit. Diese Eigenheit teilt er mit der jungen Elena, die er kurz vor seinem vierundvierzigsten Geburtstag kennenlernt. Die Beziehung mit der unternehmungslustigen Studentin ist voller Hindernisse, nicht nur, weil Bruno nach einer erfolgreichen Reanimation in einer Rehabilitationsklinik feststeckt. Drei seiner Mitpatienten bringen ihn dazu, seine Geschichten zu erzählen. Ein sarkastischer, pensionierter Geschichtsprofessor, der in einsamen Nächten für Bruno da ist, der junge Träumer und Taugenichts Jonas und der liebeskranke Türke Kemal. Die bunt zusammengewürfelte Truppe seiner Zuhörer  interpretiert und kommentiert Brunos Erzählungen auf ihre unterschiedliche Art voller Ironie. Die Geschichten bilden die Brücke zu einer unbeholfenen Männerbeziehung, wodurch die vier Hauptfiguren  zu sich selbst und ins Leben zurückfinden. In Brunos eigenwilliger Art Geschichten zu erzählen vermischen sich Realität und Fantasie. Doch die vielen Fäden weben sich schliesslich zum Muster eines bunten Teppichs.

 

Zur Autorin

Yasemin Schreiber-Pekin wurde 1959 in Ankara geboren, kam mit 13 Jahren in die Schweiz. Sie arbeitet als Gynäkologin und Psychotherapeutin in eigener Praxis in Zürich.

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Textprobe:
Der alte Afghane

Al Kbar wusch im Schatten der grossen Moschee sein Gesicht, seine Hände und Füsse. Unter dem verschlissenen Turban durchzogen tiefe Furchen das knochige Gesicht des alten Afghanen. Er betrat die Moschee und setzte sich in den mit Teppichen ausgelegten Gebetsraum. An der hohen Decke bewegten Fächer die heisse Mittagsluft Kabuls. Fliegen summten und gelegentlich schnarchte ein Schläfer. Ein uralter Mann betrat den Raum und setzte sich neben Al Kbar. Lange sassen sie nebeneinander, bis der Neuankömmling sprach:
„Alter Freund, lange habe ich dich nicht gesehen. Viele Jahre haben meinen Rücken gebeugt, seit ich dich zum letzten Mal getroffen habe. Was führt dich zurück in die Stadt deiner Väter?“
„Der Anfang ist auch das Ende“, sprach Al Kbar nach einer Weile. „Wo alles begann, wird es auch enden. Ich verbeuge mich vor der Zeit, denn was mir bleibt vom Leben geht zur Neige. Doch höre, was ich dir erzählen will.“
Seine Augen begannen zu leuchten und er lächelte.
„Seit Anbeginn der Zeit wurde die Kunst des Erzählens geschätzt. Schon die Väter unserer Ahnen kannten die Magie der Geschichten. An den Feuern der Stämme aller Völker sassen die Jungen und lauschten den Worten der Alten. Es gab eine Zeit der Jagd, eine Zeit der Ruhe und eine Zeit des Erzählens. Die Generationen gingen dahin, das Leben wurde schneller und schneller, hingegen die Zeit der Geschichten kürzer und kürzer. Die Alten sassen schweigend am Feuer, da keiner mehr war, der ihnen zuhörte. Und so begannen die Geschichten, diese Welt zu meiden.
Vor langer, langer Zeit, lebte einmal ein Mann, der Geschichten so liebte, dass er ihnen sein Leben widmete. Dies war der erste Meister des Erzählens. Er fand einen Schüler und aus dem Schüler wurde wieder ein Meister. Viele Generationen haben seither die Erde durchwandert und diese Kette ist bis heute nicht abgerissen. Immer folgte der Schüler dem Ruf seines Meisters.
Nun geht jedoch die Zeit des Lichts für mich zu Ende. Meinem Schüler aber fehlen noch die Weisheit der Ruhe und die Kraft der Liebe. Die Schönheit und der Zauber der Worte erfüllen noch nicht sein Herz.
Allah ist allmächtig und weise ist sein Ratschluss. Doch nun höre die Geschichte, die ich dir erzählen will.

In einer Stadt im Herzen Europas, dem dunkelsten Kontinent dieser Erde, lebte einmal ein Mann mit dem sonderbaren Namen Bruno. Das Feuer der Jünglingsjahre hatte er hinter sich gelassen, aber vom Frieden des reifen Alters war er noch weit entfernt. Er war von schlanker, kräftiger Gestalt. Seine dunklen Haare, durchzogen von einzelnen silbernen Streifen, umschmeichelten seine Stirn. Er besass einnehmende Gesichtszüge, volle, schön geschwungene Lippen und strahlende Augen, welche jedoch auch etwas ruhelos in die Welt blickten. Seinem Gesicht verlieh die leicht krumme Nase Verwegenheit. Dies verdankte er einem Faustschlag in seiner Jugend.